Brillantes Konzept gegen Neutronenmangel

Eine innovative Quelle für Neutronen, entworfen von Jülicher Wissenschaftler:innen, hat es auf die Shortlist des Bundesförderprogramms für große Forschungsinfrastrukturen geschafft.

Forscher vor Forschungsinfrastruktur
Paul Zakalek hat wesentlich zur Entwicklung der High Brilliance neutron Source (HBS) beigetragen und koordiniert das Projekt HBS-I.
Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Sie verraten, wo sich Atome, Moleküle und innere Magnetfelder befinden und wie sie sich bewegen. Die Rede ist von Neutronen – kleinste Teilchen, die aus Atomkernen stammen und tief in die Mikro- und Nanowelt der Materie vordringen. Als winzige Sonden liefern sie wichtige Informationen, um Materialeigenschaften an verschiedenste Anforderungen anzupassen und neue Stoffe zu entwickeln. So helfen sie, etwa Batterien und Wasserstoffspeicher für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu entwickeln oder Medikamente zur Behandlung von Krebs oder Alzheimer.

Um Neutronen freizusetzen, muss die starke Kraft überwunden werden, die Neutronen und Protonen in Atomkernen zusammenhält. Bisher geschieht das hauptsächlich mit zwei Methoden: Spaltung der Atomkerne in Forschungsreaktoren oder Spallation in riesigen Anlagen. Bei der Spallation trifft ein Protonenstrahl mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf einen Schwermetallblock, das Target (engl. Zielscheibe), und schlägt so Neutronen heraus.

Doch die bestehenden großen Quellen genügen nicht, um den Bedarf der Forschung mit Neutronen zu decken. „Manchmal müssen Forschende aus Deutschland, auch solche aus Jülich, mit ihren Proben nach Australien fliegen, um dort Messungen durchzuführen, weil sie sonst nirgendwo Messzeit bekommen“, berichtet Dr. Paul Zakalek vom Jülich Centre for Neutron Science.

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Manchmal müssen Forschende aus Deutschland mit ihren Proben nach Australien fliegen, um dort Messungen durchzuführen.

Dr. Paul Zakalek , Jülich Centre for Neutron Science

Zwei Dutzend kleinere Anlagen weltweit ändern wenig an dem Neutronenmangel. Denn diese kompakten Anlagen erzeugen nur einen sehr schwachen Neutronenstrahl, der für viele Forschungsfragen nicht ausreicht. Zudem stehen sie jeweils nur wenigen Forschenden der betreibenden Institution zur Verfügung.

Jülicher Wissenschaftler:innen schlagen daher den Bau einer von ihnen entworfenen neuartigen Quelle vor, der High Brilliance neutron Source (HBS). Sie soll Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie offenstehen und in der ersten Ausbaustufe (HBS-I) fünf verschiedene Neutroneninstrumente für Messungen anbieten. Im Vergleich zu den herkömmlichen kompakten Anlagen treffen bei der HBS-I 10- bis 100-mal mehr beschleunigte Protonen gleichzeitig auf das Target. Ihr Strahl ist besonders hell und wird daher als brillant bezeichnet.

Entscheidend ist, dass Jülicher Forscher:innen neue, stabilere Targets entwickelt haben: Diese halten der enormen Wärmebelastung stand, die beim Auftreffen der Protonen entsteht. Zudem bekommen die neuen Targets durch den Beschuss nur langsam Risse und werden nicht so schnell spröde.

„Alle neuartigen Bauteile der HBS-I wurden bereits als Prototypen realisiert und getestet“, betont Dr. Paul Zakalek, Koordinator des Projekts HBS-I, an dem neben Jülich das Helmholtz-Zentrum Hereon beteiligt ist. Die Aufnahme des HBS-I Projekts auf die Shortlist des Bundesförderprogramms für große Forschungsinfrastrukturen zeigt das nationale Interesse und ebnet den Weg zu seiner Realisierung.

Dieser Artikel ist Teil der effzett 2/2025. Text: Frank Frick

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Letzte Änderung: 05.12.2025