Neues Material ebnet Weg für künftige spinbasierte Anwendungen in der Informationstechnologie
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Forschungszentrum Jülich ist erstmals die Herstellung eines sogenannten 2D-Halbmetalls gelungen – eines Materials, das ausschließlich Elektronen einer bestimmten Spinrichtung leitet: entweder „Spin-up“ oder „Spin-down".Es handelt sich um das erste experimentell bestätigte 2D-Halbmetall und damit um einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zu energieeffizienten, spintronischen Bauelementen. Die Ergebnisse wurden als "Editors' Suggestion" in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.
Zweiatomige Schicht aus Eisen und Palladium (links, gelb/rot): Experimente mit spinaufgelöster Impulsmikroskopie zeigen, dass sich nur Elektronen mit einer bestimmten Spinrichtung (rot/blau dargestellt) auf der so genannten Fermi-Fläche aufhalten und so aktiv zum Ladungstransport beitragen können. Copyright: Forschungszentrum Jülich / Xin Liang Tan
Halbmetalle galten als zentrale Materialien für die Spintronik. Anders als normale Leiter lassen sie nur Elektronen mit einer bestimmten Spinrichtung passieren. Bauelemente der Spintronik nutzen neben der elektrischen Ladung auch den Spin der Elektronen – und versprechen damit schnellere und effizientere Datenspeicher und Prozessoren. In der herkömmlichen Elektronik bleibt der Spin dagegen ungenutzt.
Die bislang bekannten Halbmetalle waren allerdings nur sehr eingeschränkt nutzbar. Sie funktionierten nur bei extrem tiefen Temperaturen und verloren an der Oberfläche ihre besonderen Eigenschaften. Anders das Material des Jülicher Teams – eine ultradünne Eisen-Palladium-Legierung, gerade einmal zwei Atomlagen dick, auf einem Palladiumkristall. Mit einem neuartigen Messverfahren, der spinaufgelösten Impuls-Mikroskopie, wiesen die Forscher nach: Das Material leitet tatsächlich nur eine einzige Spinart – ein klarer Beleg für die zweidimensionale Halbmetallizität.
Robust und anpassbar
„Das Material benötigt keine perfekte Kristallstruktur benötigt, das ist großer Vorteil für die Fertigung“, erklärt Xin Liang Tan, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Dr. Christian Tusche am Peter Grünberg Institut (PGI-6). „Und seine Eigenschaften lassen sich gezielt verändern, indem wir den Eisenanteil variieren.“
Die Entdeckung des neuen Materials widerlegt zudem eine weit verbreitete Annahme, dass nämlich die sogenannte Spin-Bahn-Kopplung – also die Wechselwirkung zwischen dem Spin und der Bewegung der Elektronen – Halbmetallizität grundsätzlich behindere. „Im Gegenteil: Wenn sie mit den magnetischen Wechselwirkungen der Eisenatome ins Gleichgewicht gebracht wird, begünstigt sie den Effekt“, ergänzt Dr. Ying-Jiun Chen vom Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen (ER-C-1) am Forschungszentrum Jülich.
Anwendungsperspektiven für die Spintronik
Das neue Material könnte als Grundlage für spintronische Bauteile dienen, beispielsweise Spinfilter oder sogenannte Spin-Orbit-Torque-Systeme – zentrale Elemente zur Schaltung magnetischer Zustände in Speicherchips. Das Halbmetall behält seine besonderen Eigenschaften bis zu Raumtemperatur und ist kompatibel mit gängigen Dünnschichttechnologien – beides zentrale Voraussetzungen für den Einsatz in der Praxis.
Zudem zeigt der Werkstoff ein seltenes Merkmal: Die Spinpolarisation verläuft entgegengesetzt zur Magnetisierungsrichtung. Dieses Verhalten könnte neue Funktionen in nanoskaligen magnetischen Bauelementen ermöglichen.
Originalpublikation
Exchange Engineering of a Two-Dimensional Half-Metal Xin Liang Tan, Arthur Ernst, Kenta Hagiwara, Ying-Jiun Chen, Claus Michael Schneider, Christian Tusche Phys. Rev. Lett. (2025), DOI: 10.1103/mx46-85zf