Wie Zellen ihre Hüllen umbauen – ganz ohne Energiezufuhr

27. August 2025

Zellen benötigen intakte Membranen. Wird die Membran beschädigt – etwa durch Hitze oder Viren – springen spezialisierte Proteine ein. Forschende am Forschungszentrum Jülich, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Universität Mainz haben nun erstmals den Wirkmechanismus eines solchen membranschützenden Proteins, PspA, entschlüsselt, das zur ESCRT-III-Superfamilie gehört. Ihre Studie im Fachjournal PNAS zeigt, wie das Protein Zellmembranen gezielt verformt – und das ganz ohne den Einsatz von Energie. Ihre Erkenntnisse liefern wichtige Einblicke in einen grundlegenden biologischen Mechanismus der Membranreparatur.

Röhrenartiger PspA-Proteinkomplex umlagert die Zellmembran. Copyright: Forschungszentrum Jülich / Stephan Schott-Verdugo, Holger Gohlke

PspA gehört zu einer uralten Familie von Proteinen – der ESCRT-III-Superfamilie –, die in allen Domänen des Lebens Membranen in Form bringt. In Bakterien schützt PspA die innere Membran bei Stress. Frühere Arbeiten des Teams hatten bereits Struktur und Verwandtschaft von PspA zu seinen eukaryotischen Gegenstücken, unter anderem im Menschen, aufgezeigt und seine Rolle als Reparaturhelfer beschrieben. Mit der neuen Studie kommt nun ein entscheidendes Puzzlestück hinzu.

Mithilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie und Molekulardynamik-Simulationen konnten die Forschenden zeigen, wie PspA röhrenförmige Proteinkomplexe bildet, in deren Innerem die Zellmembran gebogen, verengt und schließlich in kleine Bläschen, sogenannte Vesikel, umgewandelt wird.

„Im Zentrum des Prozesses steht eine winzige Helixstruktur, die sich gezielt in die Membranoberfläche einbettet und sie verformt“, erklärt Esther Hudina vom Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen (ER-C-3) des Forschungszentrums Jülich, eine der Erstautor:innen der Studie. Die Kryo-Elektronenmikroskopie am Ernst-Ruska Centrum lieferte dabei statische Schnappschüsse der Moleküle in Lösung.

„Auf diese Weise kann PspA beschädigte Membranabschnitte einschließen, formen und abschnüren, was vermutlich der Reparatur dient.“, erläutert der Bioinformatiker Dr. Stephan Schott-Verdugo vom Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-4). Molekulardynamik-Simulationen auf dem Jülicher Superrechner JUWELS, durchgeführt am IBG-4 unter Leitung von Prof. Holger Gohlke, zugleich Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, machten die Bewegungen der Moleküle am Computer sichtbar. Sie lieferten zudem ein Modell, wie die für die Membrankrümmung notwendige Energie durch die fortschreitenden Helix-Membran-Interaktionen aufgebracht werden kann.

Wie Zellen ihre Hüllen umbauen – ganz ohne Energiezufuhr
Mechanismus der Membranumformung und -neubildung (die Farbgebung der Membran verdeutlicht die lokale Krümmung): I) PspA-Proteine lagern sich als Röhren an der Membran an, II) die helixartige Struktur interagiert mit der Membran und liefert weitere PspA-Bausteine zur Verlängerung derselben, III) die eingeschlossene Membran im Innern der Helix löst sich teilweise ab, IV) am schmalen Ende der Röhre schüren sich kleine Vesikel ab – ein spontaner Prozess, der ohne Energiezufuhr abläuft. Copyright: Forschungszentrum Jülich / Esther Hudina, Stephan Schott-Verdugo, Benedikt Junglas, Holger Gohlke, Carsten Sachse

„Dass dieser Vorgang ganz ohne externe Energiezufuhr auskommt, hat uns überrascht“, betont Prof. Carsten Sachse, Letztautor und Leiter des Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen für Strukturbiologie (ER-C-3) sowie Professor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Die Energie stammt allein aus der Bindung des Proteins an die Membran – ein bemerkenswerter biologischer Trick.“

Die Studie liefert nicht nur neue Grundlagen für die Zellbiologie, sondern eröffnet auch Perspektiven für biotechnologische Anwendungen, etwa beim gezielten Transport von Wirkstoffen in künstlichen Vesikeln.

Originalpublikation

The bacterial ESCRT-III PspA rods thin lipid tubules and increasemembrane curvature through helix α0 interactions
Esther Hudina , Stephan Schott-Verdugo, Benedikt Junglas, Mirka Kutzner , Ilona Ritter , Nadja Hellmann, Dirk Schneider, Holger Gohlke, Carsten Sachse
PNAS (2025), DOI: 10.1073/pnas.2506286122

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    Letzte Änderung: 27.08.2025