Spinaron - Neuer Quanteneffekt erstmals nachgewiesen

27. Oktober 2023

Experimentalphysiker des Würzburg-Dresdner Exzellenzclusters ct.qmat haben erstmals den neuen „Spinaron“-Quanteneffekt nachgewiesen. Dieser Effekt wurde vom Jülicher Physiker Samir Lounis und seinem Team bereits im Jahr 2020 theoretisch vorhergesagt. Mit den neuen Ergebnissen steht der Kondo-Effekt auf dem Prüfstand – ein theoretisches Konzept, das in den 1960er-Jahren entwickelt wurde und seit den 1980er-Jahren als Standardmodell für die Wechselwirkung magnetischer Materialien mit Metallen gilt. Die Forscher aus Jülich und Würzburg haben ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht.

Seit den 1960er-Jahren geht die Festkörperphysik davon aus, dass ein ungewöhnlicher Zustand, den ein Kobalt-Atom auf einer Kupfer-Fläche einnehmen kann, mit dem Kondo-Effekt erklärt werden kann. Dabei heben sich die unterschiedlichen magnetischen Ausrichtungen von Kobalt-Atom und Kupfer-Elektronen gegenseitig auf. In der Folge entsteht ein Zustand, in dem sich die Kupfer-Elektronen um das Kobalt-Atom sammeln und es abschirmen – als „Kondo-Wolke“ bezeichnet. Der Würzburger Prof. Matthias Bode und sein Team haben in ihrem Labor nun erstmals genauer hingeschaut. Ihre Ergebnisse stützen einen alternativen Erklärungsansatz, den die theoretischen Physiker Juba Bouaziz, Filippe Guimaraes und Samir Lounis vom Forschungszentrum Jülich im Jahr 2020 vorgebracht haben: Bei dem sogenannten Spinaron-Effekt bewegt sich das magnetische Moment des Kobalt-Atoms immer und bleibt trotz der Wechselwirkung mit den Elektronen magnetisch.

Spinaron   Neuer Quanteneffekt erstmals nachgewiesen
Das Kobalt-Atom (rot) hat ein magnetisches Moment („Spin“, als blauer Pfeil ), das sich durch ein externes Magnetfeld immer wieder anders orientiert (von Spin-up zu Spin-down). Dadurch regt das magnetische Atom die Elektronen der Kupfer-Oberfläche (grau) zur Schwingung an (Wellen). Dies konnten die Physiker des Würzburg-Dresdner Exzellenzclusters ct.qmat nur messen, weil sie eine Eisenspitze auf das Rastertunnelmikroskop setzten (gelb).
Juba Bouaziz/Ulrich Puhlfürst

In ihren Experimenten bestimmten die Würzburger Physiker unter extremen Laborbedingungen und mit einer ausgefeilten Instrumenten-Kombination die magnetische Ausrichtung des Kobalt-Spins. Dieser Spin ist nicht starr, sondern schaltet permanent hin und her, also von „Spin-up“ (hoch/positiv) zu „Spin-down“ (runter/negativ), und umgekehrt. Durch dieses Schalten werden die Kupfer-Elektronen angeregt. Es kommt zum Spinaron-Effekt: „Durch den ständigen Wechsel der Spin-Ausrichtung kann man den Zustand des Kobalt-Atoms mit einem Rugby-Ball vergleichen. Wenn sich ein Rugby – in unserem Fall das Kobalt-Atom – in einem Bällebad anhaltend dreht, werden die runden Bälle drumherum wellenartig verdrängt. Genau das passiert mit den Kupfer-Elektronen, die in Schwingung verfallen und an das Kobalt-Atom gebunden werden. Dieses Gemisch aus sich ändernder Magnetisierung des Kobalt-Atoms und den daran gebundenen Elektronen des Kupfers ist das von unserem Jülicher Kollegen vorhergesagte Spinaron“, so Bode. „Dies impliziert, dass unser bestehendes Verständnis des Kondo-Effekts, das über die letzten Jahrzehnte gesammelt wurde, einschließlich der in Lehrbüchern enthaltenen Inhalte, gründliche Korrekturen erfordert. Die Existenz von Spinaronen erfordert einen Paradigmenwechsel für unser Verständnis magnetischer Quantenphänomene auf der Nanoskala“, erklärt Samir Lounis.

Das Ergebnis helfe, die Physik von magnetischen Momenten auf Metalloberflächen zu verstehen - eine Grundlage, um Informationen magnetisch zu kodieren und in neuartigen elektronischen Bauteilen zu transportieren.
(Quelle: Würzburg-Dresdner Exzellencluster ct.qmat)

Weitere Informationen:

Originalpublikation:
Evidence for spinarons in Co adatoms.
F. Friedrich, A. Odobesko, J. Bouaziz, S. Lounis, M. Bode, Nat. Phys. (2023).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41567-023-02262-6

Theoretische Vorhersage des Effekts (2020):
A new view on the origin of zero-bias anomalies of Co atoms atop noble metal surfaces.
J. Bouaziz, F. S. Mendes Guimarãres & S. Lounis, Nat. Commun. 11, 6112 (2020).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-020-19746-1

Pressemitteilung Exzellenzcluster ct.qmat:
Spinaron – ein Rugby im Bällebad. Neuer Quanteneffekt erstmals nachgewiesen

Funsilab:
Functional Nanoscale Structure Probe and Simulation Laboratory (Funsilab)

Ansprechpartner

Prof. Dr. Samir Lounis

Head of Funsilab and Scientific Staff at Peter Grünberg Institute (PGI-1), Professor of Theoretical Physics at University of Duisburg-Essen

  • Peter Grünberg Institut (PGI)
  • Quanten-Theorie der Materialien (PGI-1)
Gebäude 04.8 /
Raum 156
+49 2461/61-4068
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Letzte Änderung: 30.10.2023