Neues EBRAINS-Projekt entwickelt personalisierte Hirnmodelle für die psychiatrische Forschung

21. Februar 2024

In der EU sind psychische Erkrankungen ein wachsendes Problem, und der Bedarf an wirksamen Behandlungen war noch nie so groß wie heute. Die Schizophrenie zum Beispiel, von der 1 Prozent der Weltbevölkerung betroffen ist, zeigt die Grenzen der derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten auf: 30 bis 50 Prozent der Patienten sprechen auf die vorhandenen Medikamente nur unzureichend an. Ein neues Projekt mit Jülicher Beteiligung zielt nun darauf ab, langfristig durch Nutzung von Big Data, Multiskalenmodellen und Hochleistungscomputern die Therapie zu optimieren.

Neuronale Mikroschaltkreissimulationen, mathematische Analysen, KI-Verfahren sowie Erkenntnisse aus der psychiatrischen Versorgung und klinischen Studien werden dabei in personalisierten Modellen verbunden. Ziel ist es, mithilfe der Modelle die Art und Dosierung von Medikamenten zu verbessern und alternative Behandlungsmethoden wie Hirnstimulation und Änderungen des Lebensstils zu erforschen.

Eingebettet in die europäische Forschungsinfrastruktur für digitale Neurowissenschaften EBRAINS, soll die Plattform „Virtual Brain Twin“ zunächst für Neurowissenschaftler:innen, klinische Forscher:innen und mathematische Modellierer:innen zugänglich sein. In Zukunft sollen auch Ärzt:innen und Patient:innen Zugriff haben, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Die Forschungen werden durch ethische Expertise begleitet.

Neues EBRAINS-Projekt entwickelt personalisierte Hirnmodelle für die psychiatrische Forschung
Grafische Darstellung von "Virtual Brain Twin"
Viktor Jirsa/INS Aix-Marseille University

Das auf vier Jahre angelegte Projekt wird von der Europäischen Kommission mit 10 Millionen Euro gefördert. Die Leitung haben Forscher:innen der Universität Marseille, die mit prädiktiven Gehirnmodellen bereits Fortschritte in der Epilepsie-Forschung erzielen konnten.

Das Jülicher Supercomputing Centre (JSC) trägt mit seiner langjährigen Expertise in der Unterstützung computing-intensiver Hirnforschung bei. Unter Leitung von Dr. Sandra Diaz und Wouter Klijn ist das JSC für die Gestaltung der nötigen Computer-Infrastruktur zuständig, die die Wissenschaftler:innen für die Berechnung ihrer virtuellen Modelle nutzen. Zugleich ist das JSC daran beteiligt, neue Optimierungs- und KI-Methoden zu erforschen, um die Wechselwirkungen zwischen hochaufgelösten neuronalen Netzwerkmodellen und Modellen auf der Ebene des gesamten Gehirns abzubilden.

Über EBRAINS

EBRAINS (European Brain Research Infrastructures) ist eine kollaborative Plattform, mit der Wissenschaftler:innen die Komplexität des Gehirns auf verschiedenen Ebenen mit digitalen Methoden und Analysewerkzeugen erforschen und neues Wissen in medizinische und technologische Anwendungen umsetzen können. EBRAINS wurde ursprünglich durch das 2023 abgeschlossene Human Brain Project (HBP) entwickelt.

Die EBRAINS-Forschungsinfrastruktur wurde 2019 offiziell gegründet und zwei Jahre später in die einflussreiche Roadmap des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) aufgenommen. EBRAINS ist eine offene Forschungsinfrastruktur, die Daten, Werkzeuge und Rechenkapazitäten für die Hirnforschung sammelt und kombinierbar macht. Die Infrastruktur bietet Forscher:innen eine breite Palette von Gehirn-Datensätzen, einen mehrstufigen Gehirnatlas, Modellierungs- und Simulationswerkzeuge sowie Zugang zu Rechenressourcen auf Supercomputern und neuromorphen Plattformen. Informationen über die verfügbaren Werkzeuge und Dienste im Webportal www.ebrains.eu

Pressemitteilung "New in The Lancet Neurology: Advances in brain modelling open a path to digital twin approaches for brain medicine" (27. März 2023)

Ansprechpartner

  • Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM)
  • Strukturelle und funktionelle Organisation des Gehirns (INM-1)
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+49 2461/61-96860
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Letzte Änderung: 21.02.2024