Letzte Woche wurde mit dem LOHC One Reactor ein wichtiger Baustein auf dem Campus Jülich angeliefert, um innovative Technologien für die Energieversorgung der Zukunft zu erforschen. Damit entsteht am Forschungszentrum eine neuartige Anlage zur Speicherung von Wasserstoff. 2026 soll sie in den Forschungsbetrieb gehen.
Der LOHC One Reactor als IllustrationCopyright: — Forschungszentrum Jülich
Der neue LOHC One Reactor soll dabei helfen, ein entscheidendes Effizienzproblem zu lösen: „Wasserstoff lässt sich zwar in der Trägerflüssigkeit LOHC (Liquid-organic hydrogen carrier) chemisch binden und darin platzsparend und sicher speichern und transportieren. Aber um das wertvolle Gas dann später wieder davon abzuspalten, braucht es viel Wärmeenergie“, erläutert Dr. Michael Geißelbrecht vom HI ERN, der Außenstelle des Forschungszentrums Jülich in Erlangen-Nürnberg. Wie dies effizienter gehen kann, will der Wasserstoffexperte zusammen mit seinem Team mithilfe des LOHC One Reactor erforschen und in der Praxis zeigen.
Dr. Michael GeißelbrechtCopyright: — Forschungszentrum Jülich
Die Idee ist folgende: Die neue Anlage wird mit der Wärmevollversorgungszentrale (WVVZ) verbunden, die seit 2023 den Campus Jülich beheizt. Während der Einspeicherung des Wasserstoffs ins LOHC entsteht Wärme, die dann im Wärmenetz des Forschungszentrums genutzt werden kann. Dadurch muss weniger Wärme erzeugt und so Energie eingespart werden. „Um unseren Wasserstoff wieder vom LOHC freizusetzen, erhöhen wir dann wiederum leicht die Leistung in der WVVZ, um mehr Wärme zu produzieren“, so Geißelbrecht. „Ziel ist es, die Energiebilanz dabei fast ausgeglichen zu halten – und so den Wirkungsgrad von gebundenem zu freigesetztem Wasserstoff zu erhöhen. Damit kann die LOHC-Technik für Anwendungen wie saisonale Energiespeicherung noch attraktiver werden.“
Größte Anlage dieser Art weltweit
Der 34-jährige Chemieingenieur ist wissenschaftlich verantwortlich für den LOHC One Reactor, der im Rahmen des Reallabor-Projekts Living Lab Energy Campus (LLEC) entsteht und in fünf Containerelementen direkt neben der WVVZ untergebracht wird. „Mit sieben mal neun Metern wird unsere neue Anlage weltweit die bislang größte ihrer Art sein“, sagt Geißelbrecht. „Für die jahrelange Entwicklung war echte Pionierarbeit nötig – für uns Forschende, die am Bau beteiligten Spezialfirmen, aber auch für den TÜV, der erst noch eine eigene Expertise zu LOHC-Anlagen aufbauen musste.“
Martin SengewaldCopyright: — Forschungszentrum Jülich
Geißelbrecht arbeitet eng mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen des Forschungszentrums zusammen. Zum Team gehört auch Betriebsingenieur Martin Sengewald vom Institut für Nachhaltige Wasserstoffwirtschaft, der den sicheren und erfolgreichen Betrieb des LOHC One Reactor verantwortet. Seit Juni 2022 bereitet sich Maschinenbauingenieur Sengewald in Jülich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vor. „Ich habe auch viel vom ersten kleineren Prototyp am Hi ERN gelernt, der dort bereits erfolgreich betrieben wurde“, so der 45-Jährige.
Die angelieferten Container und bereits auf dem BAW-Gelände gelagerte Bauteile werden nun in den nächsten Wochen montiert. In den nächsten Monaten werden zudem noch Tanks für die LOHC-Flüssigkeit, Pumpen und andere Komponenten geliefert. „Anfangs wird der Wasserstoff noch von extern angeliefert“, berichtet Sengewald. „Weil unsere Anlage aber rund neun Kilogramm Wasserstoff pro Stunde verarbeitet, brauchen wir für einen optimalen Betrieb eine interne Versorgung.“ Über eine Pipeline, die ebenfalls im LLEC-Projekt entsteht und in etwa zwei Jahren fertig sein soll, kann in den LOHC One Reactor dann intern mit Wasserstoff versorgt werden, der ohnehin bei der Erforschung von Elektrolyseuren am Jülicher Institut für Elektrochemische Verfahrenstechnik entsteht.
Warum „Reaktor“?
Beim LOHC One Reactor handelt es sich um einen chemischen Reaktor, also einen Druckbehälter, in dem die chemischen Reaktionen der Anlage sicher stattfinden – überwacht mit verschiedensten Sensoren. In diesem Reaktionsbehälter befindet sich ein Bündel aus zahlreichen Rohren, in denen ein Katalysator steckt, um Wasserstoff in der nicht brennbaren LOHC-Flüssigkeit zu speichern und auch wieder freizusetzen. Dabei werden diese Rohre mit Thermoöl zum Speichern gekühlt und zum Abspalten wieder erwärmt. Die wertvolle Trägerflüssigkeit kann dabei immer wieder genutzt werden – ähnlich wie bei einer erneut füllbaren Flasche.
Globale Vision zum Klimaschutz
Wenn der LOHC One Reactor in Jülich erfolgreich läuft, könnte er auch in die Demonstrationsregion für Wasserstoff im Strukturwandel des Rheinischen Reviers eingebunden werden. „Für die Energiewende sind solche Innovationen unglaublich wichtig“, sagt Geißelbrecht. „Mit einem gut erforschten und ausgereiften System hätten wir eine tolle Technologie, um grün erzeugten Wasserstoff stationär sicher einzuspeichern und zur Überbrückung von Dunkelflauten und saisonalen Effekten einzusetzen.“ Geißelbrechts globale Vision darüber hinaus: „LOHC-Einspeicherung an Orten, die für regenerativen Strom bestens geeignet sind – etwa das sonnige Afrika oder das windige Schottland –, um dort grünen Wasserstoff herzustellen und dank LOHC sicher in die ganze Welt zu transportieren. Mit Anlagen wie unserem neuen Reaktor könnte der Wasserstoff dann etwa in Industriebetrieben, wo ohnehin viel Abwärme entsteht, kostensparend vom LOHC gelöst werden. So könnte das Forschungszentrum einen großen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.“