Quantencomputerlabors des Forschungszentrums Jülich am Aachener Campus Melaten eröffnet
11. Oktober 2023
Das Forschungszentrum Jülich feierte am gestrigen Dienstag die Eröffnung seiner Quantencomputerlabors auf dem Gelände des Campus Melaten der RWTH Aachen University. Die Experimentierräume sind mit einer Vielzahl an Kühlvorrichtungen ausgestattet, um Quantencomputer-Hardware mit supraleitenden Quantenbits und Halbleiter-Quantenbits bei tiefsten Temperaturen von 10 Millikelvin zu testen und weiterzuentwickeln – das ist noch deutlich kälter als im Weltall. Übergeordnetes Ziel ist es, in den Forschungslabors des Jülicher Peter Grünberg Instituts für Functional Quantum Systems (PGI-13) und des JARA-Instituts für Quanteninformation (PGI-11) technologische und wissenschaftliche Grundlagen für zukünftige Quantencomputer zu schaffen, die in der Praxis einen spürbaren Quantenvorteil aufweisen.
„Quantencomputer haben das Potenzial, gleich mehrere Forschungsgebiete und Wirtschaftssektoren zu transformieren. Fortschritte und Innovationen auf diesem Gebiet bieten enorme Chancen – nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Wirtschaft in der Region, um neue Wertschöpfungsketten zu erschließen. Mithilfe von neuartigen Bauelementen, Quantenchips und Demonstratoren, die wir in Kooperation mit nationalen und europäischen Partnern in diesen Labors entwickeln, wollen wir wesentlich dazu beitragen, diese Technologie für praktische Anwendungen in der Wissenschaft und Industrie nutzbar zu machen“, erklärt die Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich Prof. Astrid Lambrecht.
Laborumgebung für tiefste Temperaturen
Die Forschungslabors sind darauf ausgelegt, Hardware für Quantencomputer mit supraleitenden Quantenbits, kurz: Qubits, auf jeder Entwicklungsstufe zu testen – von Einzelbauelementen bis hin zu Systemen, die der Schlüssel zu möglichen kommerziellen Anwendungen sein könnten. Der zugrundeliegende Ansatz gehört zu den technologisch am weitesten fortgeschrittenen. Dabei werden Quantenzustände mithilfe elektrischer Ströme erzeugt, die widerstandslos in supraleitenden Schaltkreisen fließen. Damit die Gesetze der Quantenphysik ungestört wirken können, müssen sie mit sogenannten Kryostaten auf bis zu 10 Millikelvin heruntergekühlt werden. Dies entspricht einer Temperatur von 0,01 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt und ist noch deutlich kälter als die Temperaturen im Weltraum.
Die Erzielung solch tiefer Temperaturen ist mit erheblichem technischem Aufwand verbunden. Insgesamt über 18 Monate dauerte die Einrichtung der Labors, teilweise auch bedingt durch Lieferschwierigkeiten. Über 10 Kryostate unterschiedlicher Größe wurden in dieser Zeit installiert. „Umso mehr freut es uns, dass es jetzt endlich losgeht“, sagt Prof. Rami Barends, Leiter des Jülicher Peter Grünberg Instituts für Functional Quantum Systems (PGI-13), der 2021 aus der Quantenforschung von Google ans Forschungszentrum Jülich wechselte.
Forschung über das komplette Spektrum
Mit der Inbetriebnahme der Aachener Quantencomputerlabors verfügt das Forschungszentrum Jülich nun über eine einzigartige Expertise und Infrastruktur, die den gesamten Entwicklungszyklus von der Suche nach geeigneten Quantenmaterialien über das Entwerfen von Schaltkreisen und passender Kryo-Elektronik bis hin zur Entwicklung von Demonstratoren und Anwendungen abdeckt.
„Zuerst gibt es eine Idee oder ein theoretisches Modell. Auf diesem Gebiet ist das Forschungszentrum Jülich schon länger eine der weltweit führenden Einrichtungen. Daraus entsteht ein Design, beispielsweise für Quantenchips oder Bauelemente, die am Forschungszentrum in der Helmholtz Nano Facility produziert werden können. Mit unseren Labors haben wir nun auch die experimentellen Möglichkeiten, diese Geräte umfassend zu testen und damit den Forschungs- und Entwicklungskreislauf zu schließen. Darüber hinaus können wir Algorithmen von zunehmender Komplexität ausführen, indem wir größere Systeme bauen“, erklärt Rami Barends.
Standort mehrerer Großprojekte
Die Labors in Aachen sind der Standort mehrerer maßgeblicher Quantencomputer-Projekte: Die Demonstratoren von QSolid werden hier getestet und betrieben. In dem Verbundprojekt, das von Prof. Frank Wilhelm-Mauch vom Forschungszentrum Jülich koordiniert wird, arbeiten 25 deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen gemeinsam daran, einen kompletten Quantencomputer „made in Germany“ zu entwickeln. Die Labors sind zudem Teil des OpenSuperQPlus-Projekts. Das Vorhaben des europäischen Quanten-Flaggschiffs vereint 28 europäische Forschungspartner aus 10 Ländern und wird ebenfalls von Prof. Frank Wilhelm-Mauch koordiniert.
Forschungslabor für Halbleiter-Quantenbits
Auch die Nachwuchsgruppe unter Leitung von Dr. Vincent Mourik ist auf dem Gelände des Campus Melaten untergebracht. Der Physiker, der seit Ende 2021 am JARA-Institut für Quanteninformation des Forschungszentrums Jülich arbeitet, forscht in seinem Solid State Quantum Devices Laboratory (SQUAD) direkt nebenan vom PGI-13. Im Fokus steht eine neuartige Materialplattform für Halbleiter-Qubits auf der Basis von Silizium und Germanium. Da Halbleiter-Qubits sehr klein ausfallen und die Industrie bereits seit Jahrzehnten Erfahrungen mit der Produktion von Mikrochips gesammelt hat, könnte sich dieser Qubit-Typ für die künftige Hochskalierung auf mehrere Tausend Qubits besonders eignen.