Wasser-Monitor zeigt Blitzdürre in Deutschland

Interview mit Alexandre Belleflamme: Gefüllte Wasserspeicher im Westen, Wassermangel in Mittel-, Ost- und Süddeutschland

Im Frühjahr hat es in Deutschland viel geregnet. Doch seit einigen Wochen bleibt vielerorts der Regen aus. Dazu entziehen ausgiebiger Sonnenschein und Temperaturen von bis zu 30 Grad dem Boden Feuchtigkeit. Wie ist es aktuell um den Wasserhaushalt in den deutschen Böden bestellt und wie sind die Aussichten für diesen Sommer? Anlässlich des Weltdürretags am 17. Juni ordnet Alexandre Belleflamme vom Institut für Bio- und Geowissenschaften die aktuellen Entwicklungen anhand des Wasser-Monitors des Forschungszentrums Jülich ein.

Konnten die Böden im Frühjahr ihre Wasserspeicher auffüllen? Wie ist der aktuelle Stand?

Wasser-Monitor zeigt Blitzdürre in Deutschland
Alexandre Belleflamme vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften hat Wasser-Monitor des Forschungszentrums mitentwickelt.

Man muss hier unterscheiden zwischen dem Gesamtboden und der oberen Bodenschicht, die insbesondere für Pflanzen eine große Rolle spielt. Wenn man den Gesamtboden betrachtet, hat das überdurchschnittlich regnerische Frühjahr in Teilen Deutschlands den Wasserspeicher im Boden in der Tat wieder aufgefüllt. Im Westen des Landes, in Nordrhein-Westfalen und großen Teilen Niedersachsens, liegt der Gesamtbodenwasserspeicher sogar etwas über dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Allerdings zeigen unsere Berechnungen mit dem hydrologischen Model ParFlow, dass insbesondere Mittel- und Ostdeutschland, aber auch Teile Baden-Württembergs und Bayerns immer noch ein relativ ausgeprägtes Wasserdefizit aufweisen. Hier hat der Niederschlag der letzten Monate kaum ausgereicht, um das Wasserdefizit der Sommerdürre von 2022 zu mildern.

Die für das Pflanzenwachstum bedeutende obere Bodenschicht ist in den vergangenen Tagen bis Wochen dagegen fast in der gesamten Bundesrepublik wieder stark getrocknet. Dies zeigt die Karte des Wasser-Monitors des Forschungszentrums Jülich deutlich. Eine Ausnahme bilden lediglich der Norden Niedersachsens, die Mittelgebirge sowie die Alpen. Der Grund für die schnelle Abnahme des Bodenwasserspeichers hin zu einer sogenannten Blitzdürre ist das Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Es hat in den vergangenen Wochen kaum oder gar nicht geregnet. Dafür haben aber reichlich Sonnenschein, Wind, und eine steigende Lufttemperatur für hohe Verdunstungsraten gesorgt, die dem Boden Wasser entnehmen. Zudem befinden wir uns mitten in einer Vegetationsperiode, in der die Pflanzen für ihren Stoffwechsel große Mengen Wasser aus dem Boden ziehen und in die Atmosphäre freisetzen. Das bezeichnet man auch als Transpiration.

Wie wird sich der Wasserhaushalt im Boden über den Sommer 2023 entwickeln? Müssen wir wieder mit einer ausgeprägten Dürre rechnen?

Unsere aktuelle saisonale Vorhersage der Entwicklung des Gesamtbodenwasserspeichers für diesen Sommer deutet darauf hin, dass die Wasserressourcen im Westen Deutschlands im Bereich des durchschnittlichen Werts der vergangenen Jahre, des sogenannten langjährigen Mittels, bleiben sollten. Für den Rest des Landes zeichnet sich dagegen eine weitere Zuspitzung der Situation bis in den Herbst voraus. Jedoch sind solche Vorhersagen über einen längeren Zeitraum mit einer steigenden Unsicherheit behaftet und somit mit Vorsicht zu genießen.

Wasser-Monitor zeigt Blitzdürre in Deutschland
Der Wasser-Monitor des Forschungszentrums Jülich liefert eine Übersicht über den Wasserhaushalt im Boden in sehr hoher räumlicher Auflösung von etwa 600 Metern für ganz Deutschland und angrenzende Gebiete. So lässt sich für einen Zeitraum von bis zu neun Tagen in die Zukunft ablesen, ob der Boden für Pflanzen genug Wasser vorhält oder Landwirte und Hobbygärtner besser zur „Gießkanne“ greifen.

Was bedeutet das für die Natur und die Bewässerung von Pflanzen?

Bäume und mehrjährige Pflanzen, die bereits ein gut entwickeltes Wurzelsystem haben, das mehrere Meter tief in den Boden reicht, dürften im Westen Deutschlands kaum oder gar nicht unter Trockenstress leiden. In den anderen Landesteilen, wo jetzt schon ein Wasserdefizit bis tief in den Boden besteht, dürfte die Situation deutlich angespannter werden. Pflanzen, die ein oberflächliches Wurzelsystem haben, oder die dieses Jahr gesät oder gepflanzt wurden und noch kein ausgeprägtes Wurzelsystem entwickeln konnten, dürften bereits jetzt oftmals unter Trockenstress leiden. Dies zeigt auch die Karte unseres Wasser-Monitors: Bei einem Anteil des pflanzenverfügbaren Wassers von weniger als 30 Prozent, im Wasser-Monitor sind diese Bereiche orange bis rot eingefärbt, ist der Trockenstress stark genug, um bei den meisten Pflanzen Welksymptome auftreten zu lassen. Hier wäre eine Bewässerung empfehlenswert. Jedoch könnte sich für Flachwurzler die Lage schnell entspannen, wenn in den kommenden Wochen wieder mehr Niederschlag zu feuchteren Verhältnissen in den Oberboden führen sollte.

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      Letzte Änderung: 15.06.2023