Dr. Anja Meier erhält Exzellenzpreis für die Weiterentwicklung einer Analysemethode von Molekülen
8. Oktober 2025
Das Forschungszentrum Jülich hat Dr. Anja Meier mit dem Exzellenzpreis ausgezeichnet. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit hat die Chemikerin die so genannte Photoemissions-Orbitaltomographie (POT) entscheidend weiterentwickelt. Mit der Technik lassen sich chemische Eigenschaften von Molekülen nun deutlich umfangreicher analysieren, außerdem ist sie vielseitiger einsetzbar als zuvor. Meier promovierte am Peter Grünberg Institut für Quantum Nanoscience (PGI-3) des Forschungszentrums Jülich und verteidigte Anfang 2024 erfolgreich ihre Dissertation an der Fakultät für Physik der RWTH Aachen. Nun arbeitet sie als Postdoc am PGI-3.

Die Photoemissions-Orbitaltomographie, kurz POT, ist eine Methode zur Analyse von Molekülen auf Oberflächen. Mit ihr lässt sich sichtbar machen, wie sich die Elektronen in sogenannten Orbitalen rund um die Atomkerne des Moleküls verteilen. Auf diese Weise kann man die elektronischen Eigenschaften und Struktur eines Moleküls besser verstehen. In ihrer Doktorarbeit hat Meier (geborene Haags) gezeigt, dass die POT viel breiter einsetzbar ist, als man ursprünglich angenommen hatte: Meier hat mit der Methode erfolgreich weitere Orbitaltypen vermessen, sie für neue Molekülklassen eingesetzt und eine lange strittige Frage zur Elektronenverteilung in einem ringförmigen Molekül beantwortet. Diese Leistung überzeugte die internationale Auswahlkommission: Einstimmig wählten sie die Chemikerin zur diesjährigen Preisträgerin des Jülicher Exzellenzpreises 2025. „Es ist wunderschön, dass ich gewonnen habe“, sagt die 30-Jährige. „Ich weiß, dass verschiedene Arbeitsgruppen gerade erst damit beginnen, die Technik zu nutzen. Ich hoffe, dass sie dadurch noch mehr Aufmerksamkeit erhält und sich weiter etabliert.“
Die Elektronen eines Moleküls verteilen sich nicht gleichmäßig, sondern bevorzugen bestimmte Bereiche, die Orbitale. Um diese genauer zu untersuchen, nutzt die POT den photoelektrischen Effekt. Erklärt hat diesen erstmals Albert Einstein Anfang des 20. Jahrhunderts: Trifft ein Lichtteilchen, ein Photon, auf ein Elektron eines Atoms oder eines Moleküls auf einer Metalloberfläche, überträgt es sein gesamtes Energiepaket auf das Elektron. Ist diese Energie größer als die Bindungsenergie des Elektrons, wird es aus dem Molekül herausgelöst – es wird photoemittiert, wie Fachleute sagen. Die überschüssige Energie wandelt sich in Bewegungsenergie des Elektrons um. Indem man diese kinetische Energie und den Austrittswinkel der emittierten Elektronen misst, lassen sich sogenannte Impulskarten erstellen. Diese werden in der POT mit theoretischen Vorhersagen abgeglichen. So kann man einzelne Orbitale der Moleküle abbilden und anhand ihres ganz spezifischen Fingerabdrucks in den Impulskarten identifizieren.
Copyright: Forschungszentrum Jülich / Jenö Gellink
Praktisch wird dazu zunächst eine Oberfläche mit den zu analysierenden Molekülen beschichtet, anschließend mit UV-Licht bestrahlt und die heraustretenden Elektronen gemessen. Bislang hatten die experimentellen Gerätschaften jedoch ihre Grenzen, weshalb nicht alle Photoelektronen erwischt wurden. „Mit dem von uns betriebenen weltweit einzigartigen Elektronendetektor, dem ‚Toroidal Analyzer‘ der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin, ist es möglich, alle über der Oberfläche emittierten Photoelektronen und deren Energie zu messen“, erklärt Meier. „Auf diese Weise konnten wir die Verteilung der Elektronen analysieren und auf die echte Raumverteilung der Orbitale rückschließen.“ Dies zeige, dass die berechneten Aufenthaltsorte der Elektronen nicht nur ein mathematisches Konstrukt seien, sondern tatsächlich real, so Meier.

Ein wichtiges Ergebnis ihrer Arbeit war, dass sich mit der Methode nicht nur p-Orbitale, sondern auch s-Orbitale vermessen lassen. Die beiden Arten an Molekülorbitalen unterscheiden sich in der Verteilung der Elektronendichte und der Bindungsenergie. Zudem kann man POT auch auf nicht-planare Moleküle anwenden – also solche, deren Atome nicht allesamt in derselben Ebene liegen. „Zuvor war nicht klar, wie gut sich die POT auch in diesen Fällen nutzen lässt“, sagt Dr. Anja Meier. Wegweisend waren außerdem die Analyseergebnisse zu einem ringförmigen Kohlenwasserstoffmolekül, einem Aromaten namens Kekulen. Die von Meier gewonnenen Daten zur Elektronenstruktur zeigen, welches theoretische Modell eine bestimmte Eigenschaft dieses Moleküls – die lange umstrittene Aromatizität – am besten beschreibt.
Das Preiskomitee hob hervor, dass Meier grundlegende wissenschaftliche Fragestellungen aufgegriffen habe und ihre Arbeiten damit neue Perspektiven für die Identifizierung von Molekülen auf Oberflächen und für die Analyse chemischer Reaktionen auf molekularer Ebene eröffneten. Ferner habe sie technologische Methoden weit über deren etablierten Anwendungsbereich hinaus eingesetzt. „Exzellente Forschung entspringt exzellenten Köpfen. Wir sind stolz, einer so talentierten Wissenschaftlerin das richtige Umfeld für ihre bahnbrechende Erfindung bieten zu können. Es freut mich außerordentlich, dass sie als Postdoc weiterhin in Jülich forschen wird“, sagt Prof. Astrid Lambrecht, Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich, die den Vorsitz der Auswahlkommission inne hat.
Seit 2009 verleiht das Forschungszentrum Jülich den Exzellenzpreis für herausragende wissenschaftliche Leistungen in frühen Karrierephasen. Ausgezeichnet werden Forschende, die mit ihrer Promotion und anschließenden Arbeiten maßgeblich zum wissenschaftlichen Fortschritt im Forschungszentrum beigetragen haben. Die Nominierungen bewertet eine international besetzte Kommission aus dem Vorstandsvorsitz, Mitgliedern des Scientific Advisory Council (SAC) und dem Vorsitz des Wissenschaftlich-Technischen Rats (WTR). Grundlage der Entscheidung sind die Originalität und der Innovationswert der Forschung, ihre internationale Sichtbarkeit sowie die überzeugende Selbstdarstellung der Kandidat:innen. Mit Anja Meier steigt die Zahl der Preisträger:innen auf 43.
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Dr. Anja Meier
Scientific Coordinator at Peter Grünberg Institute (PGI-3)
- Peter Grünberg Institut (PGI)
- Quantum Nanoscience (PGI-3)
Raum 326