Neuromorphes Computing

Das Gehirn als Vorbild

Unser Gehirn ist ein Wunder an Effizienz. Es benötigt nur so viel Energie wie eine Glühbirne, um Informationen zu verarbeiten. Wie das funktioniert, erforschen Wissenschaftler:innen aus Jülich. Mit diesem Wissen entwickeln sie neuartige und besonders sparsame Computertechnologien.

Das Gehirn dient uns als Vorbild, um Rechner zu konstruieren, die schnell und gleichzeitig energieeffizient sind. Denn für bestimmte Aufgaben benötigen herkömmliche Computer deutlich mehr Energie als unser Denkorgan – zum Beispiel für die Mustererkennung, also etwa ein bekanntes Gesicht in der Menge oder das falsch geschriebene Wort in einem Text auszumachen.

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Neuromorphe Technologien könnten die Künstliche Intelligenz grundlegend verändern.

Prof. Dr. Emre Neftci, Direktor des Instituts für Neuromorphic Software Ecosystems am Peter-Grünberg-Institut

In Jülich arbeiten Wissenschaftler:innen aus einer Reihe von Fachrichtungen interdisziplinär an Technologien für das sogenannte neuromorphe Computing: Hard- und Softwareingenieur:innen, Halbleiterexpert:innen, Theoretiker:innen, aber auch Neurowissenschaftler:innen sind daran beteiligt - das Forschungszentrum Jülich vereint eine große Brandbreite wissenschaftlicher Kompetenz. Von der Bedeutung interdisziplinärer Forschung sind wir überzeugt - und der Erfolg gibt uns recht.

Unsere führende Arbeit auf diesem Gebiet strahlt nicht zuletzt in die Region aus: Die Entwicklung neuromorpher Computerchips ist ein wirtschaftlicher Standortvorteil für das Rheinische Revier.

Computerchips wie Synapsen

86 Milliarden Nervenzellen und noch weit mehr Synapsen – das menschliche Gehirn ist unfassbar komplex und seine Geheimnisse sind noch nicht vollständig verstanden. So viel aber ist bekannt: Das Denkorgan verarbeitet und speichert Signale auf allen Ebenen gleichzeitig an einem Ort. In herkömmlichen Computern sind Speicher- und Recheneinheiten dagegen voneinander getrennt. Daten werden zwischen Prozessor und Festplatte oder Arbeitsspeicher ausgetauscht und nacheinander verarbeitet. Das kostet viel Energie. Der Ansatz beim neuromorphen Computing heißt darum „Computing-in-Memory“ – Rechnen direkt im Speicher.

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Watt Energie benötigt das menschliche Gehirn, um komplexe Aufgaben wie die Signalverarbeitung und -speicherung zu erledigen. Das ist weniger, als eine herkömmliche Glühbirne verbraucht.

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Millionen Euro investiert das Bundesforschungsministerium bis zum Jahr 2026 in das Projekt NEUROTEC II, das die Entwicklung neuartiger KI-Systeme wie Chips mit neuromorphen KI-Funktionen zum Ziel hat.

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Europäische Partnerorganisationen arbeiten mit dem Forschungszentrum Jülich am Aufbau der EBRAINS-Infrastruktur, die Wissen über das menschliche Gehirn an einem Ort verfügbar macht.

Jülicher Forscher:innen entwickeln Chips, die sogenannte Memristoren (von Memory, engl. Speicher, und Resistor, engl. elektrischer Widerstand) tragen. Sie sind aufgebaut wie Synapsen, die die Signale im Gehirn zwischen den Nervenzellen übertragen. Über einen einstellbaren Wert für den elektrischen Widerstand bei der Signalübertragung können Informationen auf Memristoren gespeichert und zugleich verarbeitet werden. Der Clou: Diese innovativen Chips, die sich bis in den Nanobereich verkleinern lassen, können mit herkömmlicher Mikroelektronik zusammenarbeiten. Besonders maschinelles Lernen und die Künstliche Intelligenz könnten künftig von solchen modularen Computersystemen profitieren.

Im Jülich Supercomputing Center (JSC) laufen alle Fäden zusammen. Dort entstehen schon heute modulare Konzepte, die herkömmliche Rechner mit neuromorphen Systemen und Quantencomputern verbinden. Nach dem Baukastenprinzip entsteht so ein Superrechner, mit dem wir in neue Dimensionen der Rechenleistung und Energieeffizienz vorstoßen.

Neuromorphes Computing ist für eine Vielzahl von Anwendungen nützlich: Mögliche Einsatzbereiche reichen vom autonomen Fahren über lernende Industriesteuerungen bis hin zur Konstruktion von intelligenten und energieautarken Implantaten. Nicht zuletzt können Supercomputer, die arbeiten wie unser Gehirn, die Hirnforschung voranbringen. Wissenschaftler:innen simulieren auf ihnen die Datenverarbeitung im Gehirn und kommen so seinen Geheimnissen auf die Spur. Die so gewonnenen Erkenntnisse fließen dann umgekehrt in die Konstruktion neuer Hardware-Komponenten für neuromorphe Rechner ein. So profitieren die unterschiedlichen Disziplinen gegenseitig voneinander. In Jülich sogar Tür an Tür auf einem Campus.

Vom Gehirn das Energiesparen lernen: Nichts weniger streben Wissenschaftler:innen vom Forschungszentrum Jülich, der RWTH Aachen und von Unternehmen der Region im Projekt NEUROTEC an. Mehr dazu im Video:

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Letzte Änderung: 22.10.2024