Buchweizen: Neuer Auftritt eines alten Bekannten

Buchweizen war einst ein beliebtes Nahrungsmittel in Deutschland, bis er fast komplett in Vergessenheit geriet. Nun bahnt sich ein Comeback auf Äckern und Esstischen an. Doch in der genügsamen Pflanze steckt mehr Potenzial.

Forscherin im Gewächshaus mit Buchweizenpflanze
In ihren Händen liegt ein Stück Zukunft: Laura Junker-Frohn mit Buchweizen im Gewächshaus des IBG-2.
Forschungszentrum Jülich/Sascha Kreklau

Ob in Pfannkuchen, Grütze oder Knödeln – für viele Generationen war Buchweizen ein alltägliches Lebensmittel. Die ursprünglich aus Asien stammende Pflanze wurde zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa angebaut. Doch anders als in Osteuropa, Russland und Asien verschwand das Gewächs von deutschen Feldern und aus der Küche. Ertragreichere Getreidearten und die Kartoffel liefen ihm den Rang ab. Zu Unrecht, findet die Pflanzenforscherin Dr. Laura Junker-Frohn vom Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-2). „Buchweizen bringt viele Eigenschaften mit, die gerade in Zeiten des Klimawandels wertvoll sein können. Er wächst schnell, ist robust, genügsam und gleichzeitig reich an Nährstoffen“, hebt die Wissenschaftlerin hervor.

Auch in der Bevölkerung wächst das Interesse an der Pflanze: Buchweizen ist glutenfrei und taucht daher zunehmend in modernen Rezepten und Produkten auf. Für die Industrie könnte er zudem ein entscheidender Baustein der Bioökonomie werden. Mittlerweile lässt sich die Pflanze wieder häufiger auf Ackerflächen in Deutschland finden, wenn auch in eher bescheidenen Ausmaßen im Vergleich zu Exportgrößen wie Russland und China mit ihren Hundertausenden Hektar Anbaufläche.

Neue Sorten, neuer Nutzen

Junker-Frohn arbeitet daran, das Comeback der Pflanze wissenschaftlich zu unterstützen. In dem von ihr koordinierten Projekt BIMOTEC schafft sie mit Kolleg:innen aus dem IBG-2 und dem Institutsbereich Bioinformatik (IBG-4) sowie mit Partnern aus Pflanzenzüchtung und Industrie die Grundlagen, um Buchweizen als vielseitige Nutzpflanze wieder in Deutschland zu etablieren. Dazu zählt das Züchten neuer Sorten speziell für die Nahrungsmittelproduktion. Denn: „In Deutschland wurde die Zucht für diesen Bereich vor über 50 Jahren eingestellt. Was Landwirte heute anbauen, stammt aus anderen Ländern und ist nicht an die hiesigen Bedingungen angepasst“, erklärt Junker-Frohn. „Da gibt es noch viel züchterisches Potenzial.“

Buchweizen bringt viele Eigenschaften mit, die gerade in Zeiten des Klimawandels wertvoll sind.

Dr. Laura Junker-Frohn, Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-2)

Um das auszuloten, nutzt die Wissenschaftlerin unter anderem sogenannten Rhizotrone – spezielle Behälter mit transparenten Wänden, die einen Blick auf die Wurzeln ermöglichen und in langen Reihen im Gewächshaus auf dem Jülicher Campus stehen. Die Behälter sind Teil der am Institut entwickelten Phänotypisierungsanlage GrowScreen-Rhizo 3, mit der das Wurzelwachstum automatisiert beobachtet werden kann. Täglich erfassen Kameras das Wachstum von mehreren Hundert Pflanzen, so dass  gut 50 verschiedene Buchweizensorten verglichen werden können. Diese Bilder fließen in die Analyse ein: Wie entwickelt sich das Wurzelwerk bei Trockenheit? Welche Sorten kommen auch mit wenig Stickstoffdüngung zurecht?

„Anhand der Daten können wir erkennen, welche Sorten besonders widerstandsfähig sind“, so Junker-Frohn. Parallel arbeiten Projektpartner:innen der Universität Hohenheim an einem mathematischen Modell, um das Wachstum der Pflanze unter verschiedenen Bedingungen zu simulieren und so den Ertrag vorherzusagen. Auch das hilft, den Anbau weiter zu optimieren. Am Ende sollen neue Buchweizensorten entstehen, die auf deutschen Feldern stabile Erträge liefern – und gleichzeitig mit klimatischen Stressfaktoren umgehen können.

Das Team schaut aber nicht nur auf den Kornertrag. „Wir untersuchen, wie sich die ganze Pflanze nutzen lässt", erläutert die Forscherin. Beispielsweise sucht das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie nach wertvollen Substanzen in Blättern und Samenhüllen für die Pharma- und Lebensmittelindustrie. Derer Industriepartner Phytowelt GreenTechnologies testet bereits, wie sich der Inhaltsstoff Rutin im großen Maßstab extrahieren und als Wirkstoff gezielt aufwerten lässt. Darüber hinaus könnte der Stängel als biobasierter Rohstoff eine Alternative zu fossilen Rohstoffen sein.

Gut für die Felder

Mit dem Anbau von Buchweizen tun Landwirte auch ihren Feldern etwas Gutes. Bereits heute wird er als Gründünger angebaut, um den Boden aufzulockern und gesund zu halten. Allerdings wird nach der Haupternte ausgesäter Gründünger später lediglich untergepflügt. Der Buchweizen könnte aber auch geerntet werden, ließe sich also als sogenannte Zweitfrucht nutzen. Dann würde er nicht nur den Boden pflegen, sondern auch finanziellen Gewinn einbringen.

Drei Fakten zum Buchweizen

Nährstoffbombe

Buchweizen enthält alle acht essenziellen Aminosäuren, B-Vitamine, Mineralstoffe und Antioxidantien wie Rutin und Quercetin. Außerdem essenzielle Fettsäuren wie Linolsäure. Zum Essen verwendet werden aber nur die geschälten Körner, die zu Mehl, Flocken, Grütze oder Kernen verarbeitet werden. Kerne und Flocken eignen sich für Müsli oder zum Garnieren von Salaten.

Glutenfreier Getreideersatz

Buchweizen ist ein Pseudogetreide. Die Fachwelt bezeichnet so Samen von Pflanzen, die botanisch nicht zu Getreide gehören, aber ähnlich verwendet werden – etwa zum Backen. Buchweizen ist von Natur aus glutenfrei und damit geeignet für Menschen, die Gluten nicht vertragen oder unter der Darmerkrankung Zöliakie leiden.

Genügsam

Buchweizen wächst schnell (3 bis 4 Monate) und wird bis zu 100 Zentimeter hoch. Er braucht wenig Dünger, gedeiht auch auf sandigen oder sauren Böden – sogar auf rekultivierten Tagebauflächen. Jedoch mag er keine Kälte, schon knapp über dem Gefrierpunkt kann es zu Frostschäden kommen.

Laura Junker-Frohn arbeitet mit ihren Kolleg:innen daran, den Buchweizen als Zweitfrucht beispielsweise nach der Ernte von Wintergetreide oder Frühkartoffeln fit zu machen. Da der genügsame Buchweizen auch später im Jahr gut wächst, würden die entsprechenden Felder zudem nicht brach liegen. Buchweizen trägt darüber hinaus zur Agrobiodiversität – also zur Vielfalt der Kulturpflanzen – bei, weil er mit keiner anderen gängigen Nutzpflanze verwandt ist. Ganz besonders freuen sich Bienen über den Nektarspender später im Jahr, wenn kaum noch etwas anderes blüht.

„Betrachtet man alle diese Faktoren, sehen wir viel Potenzial dafür, dass der Buchweizen sein Comeback schafft“, fasst Junker-Frohn zusammen. „Aber dafür braucht es noch etwas Zeit und Geduld.“

Dieser Artikel ist Teil der effzett 2/2025. Text: Anna Tipping

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Letzte Änderung: 17.12.2025