Innovationsoffensive im Rheinischen Revier für eine nachhaltige Faserwirtschaft

Jülich, 1. Dezember 2022 - In einer postfossilen, klimaneutralen Wirtschaft gewinnt die Verwendung pflanzlicher Fasern zunehmend an Bedeutung. Das Hygienepapierunternehmen WEPA aus Arnsberg, das Verpackungsunternehmen IP-Verpackungen aus Aldenhoven und die Papierfabrik Zerkall aus Hürtgenwald treiben die Forschung zur industriellen Anwendung solcher Fasern weiter voran. Gemeinsam mit der vom Forschungszentrum Jülich koordinierten Strukturwandelinitiative BioökonomieREVIER haben sie ein Konzept zur Realisierung eines FaserInnovationsZentrums Zerkall (FIZZ) in der Gemeinde Hürtgenwald entworfen und wollen dieses in den nächsten Jahren gemeinsam mit Partnern umsetzen.

Für den neuartigen Einsatz pflanzlicher Fasern werden industrielle Produktionstechnologien benötigt, die entsprechend wissenschaftlich zu entwickeln sind. „Die Besonderheit des FaserInnovationsZentrums Zerkall (FIZZ) beruht auf seinem integrierten und industriegetriebenen Forschungsansatz“, betont Prof. Ulrich Schurr, Direktor des Instituts für Pflanzenwissenschaften des Forschungszentrums Jülich und Initiator von BioökonomieREVIER. „Ausgehend vom Anbau geeigneter Pflanzen oder der Nutzung von Reststoffen, der Aufschlusstechnologie und der Fasermodifikation bis hin zum Engineering der Anlage wird die gesamte Wertschöpfungskette im Kontext einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft betrachtet.“

Innovationsoffensive im Rheinischen Revier für eine nachhaltige Faserwirtschaft
Das FaserInnovationsZentrum Zerkall forscht an der Verwendung von Pflanzenfasern aus landwirtschaftlichem Anbau und Reststoffen für die industrielle Nutzung.
Forschungszentrum Jülich/BioökonomieREVIER

Als weitere Forschungspartner sind die Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen (AVT), die landwirtschaftliche Lehr- und Forschungsstation Campus Klein-Altendorf der Universität Bonn und die Institute für Makromolekulare und Papierchemie (MAP) und Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik (PMV) der TU Darmstadt beteiligt. Die ersten gemeinsamen Arbeitspakete sind verteilt und starten im ersten Halbjahr 2023.

Erklärtes Ziel des neuen Innovationszentrums ist es, Lignocellulose-Fasern ausgehend von Faserrohstoffen und -produktion für vielfältige Anwendungsbereiche industrieorientiert zu entwickeln. Das Portfolio umfasst zunächst Anwendungen in der Papier-, Verpackungs-, Textil- und Verbundstoffindustrie bis hin zu neuartigen Baustoffen. „Im neuen FaserInnovationsZentrum Zerkall denken wir von Anfang an die Kreislauffähigkeit der Fasern im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie mit“, erklärt Gerhard Hochstein, Head of Production & Technology Transformation bei der WEPA in Arnsberg. „Hierbei werden der CO2-Fußabdruck und sämtliche Umweltleistungen bis hin zur Bereitstellung der Fasern und die Sekundärnutzungen von Produkten erfasst, so dass sich auch die Vermarktung der Produkte faktenbasiert begleiten lässt“, so Hochstein weiter.

Die Finanzierung des neuen Zentrums tragen im kommenden Jahr zunächst die beteiligten Industrieunternehmen. Im Laufe des Jahres 2023 soll dann ein mehrjähriges Forschungsverbundprojekt auf den Weg gebracht werden. „Bis 2026 soll das neue FaserInnnovationsZentrum Zerkall eine Heimat im neuen Nutzungskonzept der Papierfabrik Zerkall in der Gemeinde Hürtgenwald finden, wo bis zu 50 neue Arbeitsplätze entstehen sollen“, sagt Frank Féron, Geschäftsführer von IP-Verpackungen in Aldenhoven und der Papierfabrik Zerkall in Hürtgenwald.

Das Konzept für das FaserInnovationsZentrum Zerkall entstand im Kontext des Wirtschafts- und Strukturprogramm für das Rheinische Zukunftsrevier (WSP 1.1) und schließt die Lücke zwischen Landwirtschaft und der faserverarbeitenden Industrie in der Region. Es ist ein bedeutender Baustein für eine Bioökonomie-Modellregion für nachhaltiges, biobasiertes Wirtschaften und arbeitet im Sinne einer Projekt- und Transformationslandschaft Bioökonomie mit zahlreichen Schwesterprojekten in der Region zusammen.

Das FIZZ wird durch das NRW-Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Klimaschutz und Energie (MWIKE) und die Zukunftsagentur Rheinisches Revier begleitet. Es soll gemeinnützig angelegt werden und ist für weitere Beteiligungen, vor allem durch Partner aus der faserverarbeitenden Industrie, über die Region hinaus offen.

Weitere Informationen:
Die Papierfabrik Zerkall
Seit Jahrzehnten wird in der Papierfabrik Zerkall GmbH Papier für bedeutsame Dokumente der deutschen Geschichte hergestellt. Der Dürener Papierfabrikant Gustav Renker erwirbt den Betrieb im Jahr 1903 und baut ihn unter erheblichen Erweiterungen zu einer Feinpapierfabrik um, die eine wirtschaftliche Herstellung echter Büttenpapiere auf einer Rundsiebmaschine ermöglicht. Schritt für Schritt erfolgt der Ausbau des hochwertigen Sortiments, das unter der inzwischen in vielen Ländern geschützten Markenbezeichnung „Zerkall-Bütten“ vermarktet wird. Dank ständiger Qualitätsverbesserungen und der Erschließung neuer Märkte erlangt die Produktion bald weltweite Bekanntheit. Nach vier Generationen der Familie Renker liegt die Führung der Papierfabrik Zerkall GmbH seit Mai 2021 in neuen Händen und gehört der Firma IP Verpackungen GmbH in Aldenhoven (Kreis Düren). Es werden weiterhin echte Büttenpapiere mit vierseitigem Büttenrand im Flächengewichtsbereich 90-600 g/ qm auf dem Rundsieb hergestellt, die in der eigenen Verarbeitungsabteilung zu Anzeigenpapieren - Briefbögen, Karten, Hüllen - oder zu Planopapieren für den Einsatz im künstlerischen Druck oder in der Buchdruckkunst verarbeitet und weltweit vertrieben werden. Seit der Flut im Mai 2021 ruht die Produktion. Eine Wiederinbetriebnahme ist in Planung.

Die Strukturwandelinitiative BioökonomieREVIER
BioökonomieREVIER wurde 2018 am Forschungszentrum Jülich initiiert. Die Initiative versteht sich als Gestalter für die Transformation des Wirtschaftssystems im Rheinischen Revier hin zu einer zirkulären, nachhaltigen Bioökonomie. Durch gezieltes Innovationsmanagement werden klimaneutrale, ressourceneffiziente und biobasierte Geschäftsmodelle und neue Wertschöpfungsketten aufgebaut. Sie sollen zur Kompensation der Folgen des Braunkohleausstiegs beitragen. Die Koordinierungsstelle agiert als fachlicher Partner in der Region und wirkt an zentraler Stelle daran mit, dass ein auf regionale Stärken aufbauendes Innovationssystem und neue Arbeitsplätze entstehen. Gemeinsam mit Akteuren aus der Region wird eine Modellregion für nachhaltige Bioökonomie im Rheinischen Revier entwickelt.

Institut für Bio- und Geowissenschaften, Pflanzenwissenschaften (IBG-2)
Website BioökonomieREVIER

WEPA Arnsberg
IP Verpackungen Aldenhoven

Ansprechpartner:
Axel Wizemann
Koordinator FaserInnovationsZentrum Zerkall
Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER (Externer Berater)
E-Mail: a.wizemann@fz-juelich.de

Pressekontakt

Anke Krueger

Kommunikation, Stellvertretende Leitung BioökonomieREVIER

  • Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG)
  • Pflanzenwissenschaften (IBG-2)
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Letzte Änderung: 01.12.2022