Starkregen: Genauere Modelle für die rechtzeitige Warnung
Jülich, 12. Juli 2022 – Teilweise mehr als 150 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von 48 Stunden, reißende Flüsse, mehr als 200 Tote, Schäden in Milliardenhöhe: Am 14. Juli 2022 jährt sich die Unwetterkatastrophe, die Teile Westdeutschlands, Ostbelgiens, Luxemburgs und der Niederlande durch extreme Überschwemmungen verwüstete. Inzwischen ist klar: Genauere (Wetter)Modelle sind notwendig, um die Gefahr von Starkregen frühzeitig zu erkennen und damit warnen zu können. Wissenschaftler:innen des Forschungszentrums Jülich sind unter anderem an dem Projekt RealPEP beteiligt. Dabei geht es darum, schneller zu genaueren Vorhersagen von Extremwetterereignissen zu kommen.
In einem besonders betroffenen Gebiet zwischen Eifel und Niederrheintal konnten die Wissenschaftler die genauen Daten des Hochwassers 2021 sammeln, da dort das bei Jülich gelegene TERENO-Observatorium „Eifel/Niederheinische Bucht“ verortet ist. Mit dem TERENO-Forschungsprogramm werden die langfristigen ökologischen, sozialen und ökonomischen Einflüsse des globalen Wandels auf der regionalen Skala untersucht. Das koordinierende Jülicher Institut für Agrosphäre stellte nach der Katastrophe Daten aus dem TERENO-Messnetz zusammen und veröffentlichte sie. Beispiel: Die extremen Niederschläge führten dazu, dass große Mengen Wasser abflossen, die Wasserstände und die Abflussmengen der Flüsse stiegen dramatisch an. Die Ahr bei Altenahr hat einen langjährigen Durchschnittsabfluss von etwa 7 Kubikmetern pro Sekunde. Schätzungen gehen davon aus, dass während des Hochwasserscheitels bis zu 160-mal mehr Wasser abfloss, etwa 800 bis 1200 Kubikmeter pro Sekunde.

Daten sind das zentrale Element, um Modelle zu präzisieren und zeitnah zu räumlich genauen Vorhersagen für kritische Sturzfluten zu kommen. Wissenschaftler:innen wollen bis 2024 ein verbessertes Vorhersagesystem für Sturzfluten entwickeln, indem sie Daten aus modernen Messmethoden gewinnen. Das ist das Ziel der Forschergruppe RealPEP, die von der Uni Bonn koordiniert wird und an der die Jülicher Hydrologen vom Institut für Agrosphäre beteiligt sind.
Bisher nutzten Wissenschaft und Wetterdienste vornehmlich konventionelle Radarmessungen, um Art und Menge des Niederschlags abzuschätzen. Das Radar sendet Signale aus, die Forschenden messen die Intensität des zurückgestreuten Signals und damit des Niederschlags. Durch vergleichende Messungen erhalten sie Informationen über Niederschlagsmengen und die Größe der Regentropfen. Mit Hilfe von sogenannten Nowcasting-Verfahren, die auf diesen Niederschlagsschätzungen aufbauen, kann die Entwicklung der kommenden zwei Stunden vorhergesagt werden.
Für längerfristige Prognosen werden aber noch komplexere Methoden benötigt. Hier kommt als Messmethode das sogenannte polarimetrische Radar ins Spiel, mit dem die aktuelle Niederschlagsintensität genauer berechnet werden kann. Bei dieser Form des Niederschlagsradars arbeiten die Forschenden mit elektromagnetischen Wellen, die horizontal und vertikal ausgerichtet – polarisiert – sind. Durch die unterschiedliche Ausrichtung erhalten die Wissenschaftler:innen zusätzliche Informationen, die neben Menge und Größe der Tropfen auch Aussagen über die Form der Niederschlagsteilchen ermöglichen. Polarimetrische Radargeräte sind deshalb in der Lage, Niederschlagsteilchen zu klassifizieren.
Die Wissenschaftler:innen von RealPEP wollen jetzt die verschiedenen Daten von Niederschlagschätzungen und Nowcasting in numerischen Vorhersagemodellen zusammenführen und alle Ergebnisse anschließend in hydrologische Modelle einspeisen. Sie liefern damit Vorhersagen für Wasserstände sowie den Abfluss und verbessern so den Wert und die Effizienz von Warnungen für kleine bis mittelgroße Flusseinzugsgebiete in Deutschland. TERENO steuert dabei Daten seines Wetterradars im Observatorium „Eifel/ Niederrheinische Bucht“ bei.
Weitere Informationen:
Institut für Bio- und Geowissenschaften, Bereich Agrosphäre (IBG-3)
TERENO
RealPEP
AVOSS
Übersicht der wissenschaftlichen Grundlagen und Fakten zum Klimawandel auf der DKK-Website
Ansprechpartner
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