Kleine Teilchen, große Wirkung

Forschung für alle – Nanopartikel sichtbar machen

Winzig, unsichtbar, unterschätzt – luftgetragene Nanopartikel sind überall, können Wetter und Klima beeinflussen, zum Gesundheitsrisiko werden oder Technik lahmlegen. Jetzt macht eine Jülicher Erfindung sie leichter sichtbar.

Mai 2025

Ein Verbot an Bord wird zur Innovation im Labor

Ein tiefer Atemzug im dichten Verkehr, am Arbeitsplatz, in der Industrie oder beim Warten auf den nächsten Flug – und mit der Luft atmen wir auch eine Vielzahl winziger Partikel ein, ohne es zu merken. Die Folgen können vielfältig sein. Diese Nanopartikel, für das bloße Auge unsichtbar, gelangen unbemerkt in unseren Körper und beeinträchtigen unsere Gesundheit.

Doch nicht nur der Mensch ist betroffen: auch auf industrielle Prozesse können sie erhebliche Auswirkungen haben. In sensiblen Produktionsbereichen können sie Prozesse beeinträchtigen, Produkte beschädigen oder Sicherheitsrisiken darstellen. In der Halbleiterproduktion etwa, wo mit Strukturen im Nanometerbereich gearbeitet wird, reicht schon ein einziger verirrter Nanopartikel, um einen Mikrochip unbrauchbar zu machen. Eine exakte und lückenlose Überwachung ist daher unerlässlich.

Schnell, präzise und effizient

Forschende am Institute of Climate and Energy Systems Research: Troposphäre (ICE-3) haben gemeinsam mit dem US-amerikanischen Messtechnikunternehmen TSI Incorporated ein neuartiges Verfahren entwickelt, das luftgetragene Partikel zuverlässig sichtbar macht – einfacher, präziser und effizienter als bisher. Außerdem ist es ressourcensparender als bereits existierende Verfahren.

Die neue Technologie kombiniert zwei Methoden: zum einen nutzt sie ein hochmodernes optisches Detektionssystem von TSI Incorporated, um Ultrafeinstaub exakt zu messen. Zum anderen kommt eine patentierte Jülicher Innovation zum Einsatz – eine spezielle Substanz, die sich an die Nanopartikel anlagert und sie dadurch vergrößert, damit das optische System sie erkennen kann.

»Nach Rücksprache mit vertrauten Fachkollegen wurde klar, dass in unserer Lösung weitaus mehr Schätze steckten, als wir zunächst vermutet hatten.«

Dr. Patrick Weber
Koordiniert die Industriekooperation mit TSI am Institute of Climate and Energy Systems (ICE-3)

Ein Verbot als Auslöser

Ursprünglich hatten die Jülicher Wissenschaftler ihre Methode für die Forschungsinfrastruktur IAGOS entwickelt. Dabei sammeln sie atmosphärische Daten direkt über den Wolken mithilfe von Messgeräten an Bord von Passagierflugzeugen. Bisher kam ein handelsüblicher Kondensationspartikelzähler zum Einsatz, der eine giftige und brennbare Flüssigkeit verwendet. Solche Geräte wurden in der Luftfahrt wegen der Brandgefahr verboten.

Transfer Talente: Patrick Weber treibt eine anwendungsnahe Kooperation voran

„Ursprünglich hatte die grundlegende Entdeckung nur das Ziel, das Problem der Sicherheit bei der Inbetriebnahme eines bestimmten Messgeräts zu lösen. Nach Rücksprache mit vertrauten Fachkollegen wurde klar, dass in unserer Lösung weitaus mehr Schätze steckten, als wir zunächst vermutet 30 Jahre Forschung über den Wolken hatten“, sagt Patrick Weber, der die Kooperation nun vorantreibt. Als Miterfinder legt er großen Wert darauf, dass die Idee im Labor auch einen konkreten Nutzen erfüllt. So entwickelte das Jülicher Forschungsteam eine ebenso präzise Alternative, die ganz ohne Gefahrenstoffe auskommt.

Gemeinsame Arbeit im Labor

Dr. Patrick Weber (links) arbeitet gemeinsam mit Kollegen von TSI an einer optisch gestützten Detektionsmethode zur Vergrößerung von Aerosolpartikeln.

Um ein marktreifes Produkt herzustellen, haben sich die Jülicher Forschenden mit TSI Incorporated zusammengeschlossen. Der Messtechnik-Spezialist mit Europa-Zentrale in Aachen zählt weltweit zu den führenden Unternehmen für Instrumente für die Umweltüberwachung und Aerosolforschung.

Die neue Technologie eignet sich auch zur Anwendung außerhalb der Messgeräte in Flugzeugen. Sie kann beispielsweise die Luftqualität in Städten und Reinräumen überwachen oder in Arbeitsbereichen, in denen die Gesundheit durch Feinstaub in der Luft gefährdet ist. Ihre kompakte Bauweise ermöglicht sogar den Einsatz an Orten, an denen Nanopartikelmessungen bisher undenkbar waren. Und sie könnte ein bestehendes Problem lösen: der fehlende Ausbau bestehender Messnetze zur Überwachung der Luftqualität – bisher aufgrund der hohen Kosten zum Scheitern verurteilt. Gute Aussichten also für alle, die die Gefahrenquelle Nanopartikel besser sichtbar machen wollen.

Innovation im Dialog: Das Forschungszentrum Jülich setzt auf Co-Creation

IAGOS Logo Flugzeug

30 Jahre Forschung über den Wolken

Seit über 30 Jahren sammelt das Forschungszentrum in der IAGOS-Infrastruktur gemeinsam mit europäischen Partnern hochpräzise Daten – unter anderem zu Wasserdampf, Methan, CO₂, Ozon, Stickoxiden und Feinstaub. Die Daten helfen, neue Erkenntnisse über Klima und Atmosphäre zu gewinnen, langfristige Veränderungen festzustellen sowie Klimamodelle und Wettervorhersagen zu verbessern.

Heute sind zehn Flugzeuge von acht Fluggesellschaften weltweit im Einsatz. Die offenen Messdaten fließen in Klimamodelle, Wettervorhersagen und Monitoringprogramme wie das neue deutsche Treibhausgas-Monitoringsystem ITMS ein.

Nach intensiver Aufbauarbeit, unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, wurde die IAGOS-Infrastruktur vor zwei Jahren in den eigenfinanzierten Dauerbetrieb überführt. Der Betreiberverein IAGOS-AISBL koordiniert seither die internationale Nutzung der Plattform.

Über 300 Organisationen weltweit nutzen die Daten – ein Beleg dafür, wie technisches Know-how und wissenschaftliche Kooperation den Weg zu konkretem Klimaschutz ebnen.

IAGOS entdecken Flugzeug

Bildnachweis: Forschungszentrum Jülich/ Monika Buglowski

Graffiti: Wissenschaftler und Geschäftsmann

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Gemeinsam geht mehr – besonders, wenn Forschung, Industrie und Gesellschaft ihre Perspektiven verbinden. Dann entstehen Lösungen, die größer sind als die Summe ihrer Teile.

Im Endeavours-Magazin zeigen wir, wie Co-Creation gelingt: mit echten Geschichten von Kooperation, Pioniergeist und Transfer. Für eine Zukunft, die wir gemeinsam gestalten können.

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Letzte Änderung: 15.07.2025